Nach sechs aufeinanderfolgenden Wochen mit Zuwächsen bei den beiden wichtigsten Rohölsorten Brent und WTI stellen sich Rohstoffanalysten, Volkswirte und nicht zuletzt natürlich die Verbraucher die Frage, wie es in der zweiten Jahreshälfte an den Ölmärkten weitergeht. Kurzfristig dürfte es mit dem Ende der „Driving Season“, also der Ferienreisezeit in den USA und in Europa, zu einer geringeren Nachfrage nach Benzin und damit zu einer geringeren Nachfrage nach Rohöl kommen.
Mit dem Begriff „Driving Season“ ist allerdings nicht nur der Kraftverkehr auf dem Boden, sondern ebenso der internationale Luftverkehr gemeint. Inwieweit dieser Faktor die Ölpreise zumindest stabilisieren kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Der Straßenverkehr steht für rund 39 Prozent und der Luftverkehr für etwa 6 Prozent des globalen Ölverbrauchs.
Angebotslücke dürfte Ölpreise im 2. Halbjahr stützen
Für die mittelfristige Preisentwicklung werden die in dieser Woche zur Veröffentlichung anstehenden Monatsberichte zum Ölmarkt der US-Energiebehörde EIA, der OPEC und der Internationalen Energieagentur IEA eine genauere Einschätzung geben. Die OPEC und die IEA dürften für die zweite Jahreshälfte weiterhin eine beträchtliche Unterversorgung prognostizieren, da die Nachfrage merklich steigen und das Angebot nur stagnieren dürfte.
Da Saudi-Arabien die seit Juli geltende freiwillige Produktionskürzung bis in den September verlängern will, dürfte das Angebotsdefizit im laufenden Quartal noch etwas größer ausfallen. Bislang rechnet die IEA mit einer täglichen Lücke von 2 Millionen Barrel (a 159 Liter), die OPEC sogar mit einer von 2,5 Millionen Barrel.
US-Ölproduktion geht weiter zurück
Auch die nur geringfügig steigende US-Ölproduktion kann diese Lücke nicht füllen. Angesichts der bis zuletzt weiter gesunkenen Bohraktivität könnte die EIA ihre Prognose für die US-Rohölproduktion sogar nochmals absenken. Solange die Nachfrage nicht deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt, dürfte das Angebotsdefizit in der zweiten Jahreshälfte daher mindestens so hoch ausfallen wie bislang erwartet, was für sich genommen für höhere Ölpreise spricht.
Gegenwind dürften sie hingegen von den im Juli voraussichtlich gefallenen chinesischen Rohölimporten bekommen. So lagen die Rohölimporte Chinas in den vorherigen beiden Monaten deutlich über dem heimischen Bedarf, was ebenso für geringere Importe spricht wie das im Juli deutlich gestiegene Preisniveau.
Höhepunkt der Ölnachfrage in Sicht
Auf längere Sicht warnt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem aktuellen Ölmarktbericht, dass die weltweite Ölnachfrage zwischen 2022 und 2028 um 6 Prozent auf 105,7 Millionen Barrel pro Tag steigen werde, „unterstützt durch eine robuste Nachfrage aus der Petrochemie und der Luftfahrt“.
Die IEA stellte jedoch auch fest, dass „trotz dieses kumulativen Anstiegs das jährliche Nachfragewachstum voraussichtlich von 2,4 Millionen Barrel pro Tag in diesem Jahr auf nur noch 0,4 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2028 zurückgehen wird, sodass ein Höhepunkt der Nachfrage in Sicht ist.“ Durch die Verwendung von Öl aufgrund der Ausweitung des Marktes für Elektrofahrzeuge wird auch der Verbrauch an Kraftstoffen für den Transport nach 2026 zurückgehen.
Nach den kräftigen Preissteigerungen in der Vorwoche, legen die Heizölpreise auch am zweiten Handelstag der Woche weiter den Rückwärtsgang ein. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen heute im Schnitt voraussichtlich etwa -1,30 bis -1,90 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als zum Wochenbeginn.