Seit gestern und noch bis zum Mittwoch findet in Singapur die jährliche Asia Pacific Petroleum Conference (APPEC) statt. Es ist die bedeutendste Veranstaltung der Ölbranche in Asien und traditionell ein Stelldichein von Spitzenmanagern der weltweit größten Rohstoffhandelshäuser und der wichtigsten Energieunternehmen.
Es finden sich dort Spitzenkräfte der Erdölindustrie, wie Russell Hardy, CEO des weltgrößten unabhängigen Rohstoffhandelskonzerns Vitol sowie Führungskräfte von Ölkonzernen wie Equinor, Shell und BP. Sie und eine Heerschar von Analysten geben Einblicke in den aktuellen Zustand des physischen Ölmarktes und in die kurz- bis mittelfristigen Erwartungen in Bezug auf Angebot, Nachfrage, Ölpreise und Raffineriegewinnspannen.
Ölexporte der Saudis fallen auf 17-Monats-Tief
Top-Thema ist einmal mehr Saudi-Arabien. Das Land hat seine Rohölexporte im August schätzungsweise auf den niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahr gesenkt. Das Königreich fährt seine Produktion weiterhin um 1 Million Barrel pro Tag herunter, um die Märkte eng zu halten und die Ölpreise nach oben zu treiben. Die Lieferungen des weltweit größten Rohölexporteurs fielen im August auf den niedrigsten Stand seit März 2021 – auf rund 5,6 Millionen Barrel pro Tag, wobei die Exporte nach China und in die USA auf ein Mehrjahrestief fielen, wie vorläufige, von Bloomberg zusammengestellte Daten am Freitag zeigten.
Ölmarkt hat Spielraum für weitere Preissteigerungen
Es wird erwartet, dass Saudi-Arabien eine weitere Verlängerung der Kürzungen bis in den Oktober ankündigen wird. Der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Novak äußerte vor wenigen Tagen, dass Moskau diese Woche die Parameter der OPEC+-Vereinbarung bekanntgeben werde. „Die OPEC+-Kürzungen und insbesondere die zusätzlichen freiwilligen Kürzungen von Saudi-Arabien bedeuten, dass der Markt seine Lagerbestände abbaut“, sagte Warren Patterson, Leiter der Rohstoffstrategie bei ING, Ende letzter Woche. „Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend bis zum Jahresende fortsetzen wird, was darauf hindeutet, dass die Ölpreise noch Spielraum haben, um von den aktuellen Niveaus aus zu steigen.
Saudis dürften Kürzungen im Oktober fortsetzen
Die Marktverengung sei weitgehend auf die OPEC+ Angebotskürzungen zurückzuführen, schrieben Analysten von ING gestern in einem Report an ihre Kunden. Die Experten glauben, dass die Saudis die Kürzungen wahrscheinlich bis in den Oktober hinein verlängern werden, da sie keinen erneuten Abwärtsdruck auf den Ölpreise ausüben wollen, indem wieder zusätzliches Öl zur Verfügung steht. Ihrer Einschätzung nach sollte der Markt allerdings grundsätzlich in der Lage sein, eine etwaige Angebotsausweitung zu absorbieren – vor allem angesichts des großen Defizits, das für den Rest des Jahres erwartet werde.
Analysten heben Prognosen für Ölpreise weiter an
Bereits im August schrieben die Analysten von Goldman Sachs, dass der Hauptgrund für die Outperformance des Ölpreises darin bestehe, dass der Ölmarkt weiterhin beträchtliche Defizite einpreisen würde. Dieses Minderangebot würde zu einem Abbau der Vorräte führen, was die Abwärtsrisiken für die Ölpreise begrenzen und die Jahresendprognose der Investmentbanker von 86 Dollar je Barrel Brent um 2 Dollar je Barrel erhöhen könnte.
Das Bankhaus Barclays seinerseits hob letzte Woche seine Prognose für den Brent-Preis im nächsten Jahr um 8 Dollar auf 97 Dollar je Barrel an und verwies dabei auf das langsamere Wachstum der US-Schieferölindustrie und die anhaltende Unterproduktion mehrerer OPEC+-Produzenten, die den Ölmarkt bis 2024 weiter verknappen werden.
Russell Hardy, Chef des weltgrößten Rohstoff- und Energiehändlers Vitol brachte die Lage an den Ölmärkten gestern in Singapur wie folgt auf den Punkt: „Es gibt zu viele Kunden und nicht genug Ware für alle!“
Nachdem die beiden Rohölsorten Brent und WTI gestern nahezu unverändert aus dem Handel gingen, macht sich der zuletzt wieder stärkere Dollar bei den Heizölpreisen negativ bemerkbar. Weil Öl international in Dollar abgerechnet wird, unterstützt ein starker Dollar hohe Ölpreise zusätzlich. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen daher heute im Schnitt etwa +0,40 bis +1,10 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch zu Wochenbeginn.