Vor Norwegens Küsten, in der Tiefe der Nordsee, liegt Öl. Sehr viel Öl sogar. Das größte und ergiebigste Ölfeld Westeuropas trägt den Namen „Johan Sverdrup“, der einmal Ministerpräsident des Landes war. Nach Expertenschätzungen warten dort 2,7 Milliarden Barrel Öl (a 159 Liter) darauf, gefördert zu werden. Eine enorme Menge, die ausreicht, um Norwegens Ölarbeiter mindestens die nächsten 50 Jahre in Lohn und Brot zu halten.
Norwegens Ölindustrie hat schwierige Jahre hinter sich
Das gigantische Ölfeld wurde im Jahr 2010 entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt unternahm Norwegen noch große Anstrengungen, neue Ölfelder zu entdecken. Die Gesamtinvestitionen in der norwegischen Öl- und Gasindustrie erreichten im Jahr 2013 mit umgerechnet 19 Milliarden US-Dollar ihren Höchststand. Dieses Niveau konnte seitdem nicht mehr erreicht werden.
Kaum eine andere Aktivität ist so zyklisch wie die Explorationstätigkeit. Darunter versteht man die Suche nach Lagerstätten sowie deren Erforschung und Erkundung bei der Suche nach Rohstoffen. Im Jahr 2014 wurden in Norwegen 57 neue Öl- und Gasexplorationsbohrungen durchgeführt. Nur zwei Jahre später sank die Zahl auf 27, als der Ölpreis 2015 und 2016 einbrach. In den Jahren 2018 und 2019 nahm die Aktivität zu, bevor sie 2020 aufgrund von Covid-19 und niedrigen Ölpreisen wieder zurückging.
Oslo will an alte Erfolge anknüpfen
Jetzt unternimmt Oslo nach Angaben des norwegischen Beratungsunternehmens Rystad Energy gewaltige Anstrengungen, um wieder an die Hochzeiten der Ölförderung anzuknüpfen. Demzufolge wird erwartet, dass die Investitionen in die norwegische Öl- und Gasindustrie im Jahr 2023 ein Rekordhoch von etwa 21 Mrd. US-Dollar erreichen werden. In diesem Jahr wird die Zahl der Explorationsbohrungen voraussichtlich 35 erreichen und im nächsten Jahr auf 36 ansteigen. Bislang war 2023 ein gutes Jahr für neue Erkundungen vor Norwegens Küsten. Es wurden bereits ähnliche Mengen wie im letzten Jahr entdeckt, obwohl bisher nur etwa die Hälfte der für 2023 geplanten Bohrungen abgeschlossen wurde.
Staat setzt Steueranreize für Investitionen
Dies sei Rystad zufolge darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren mehrere wichtige Projekte genehmigt wurden, die durch eine befristete Steuerregelung des Landes gefördert wurden. Die Steuer wurde eingeführt, um Anreize für Investitionen auf dem norwegischen Festlandsockel zu schaffen. Laut Emil Varre Sandoy, Upstream Vice President bei Rystad Energy, würde dieser erhebliche Anstieg der Investitionen einen neuen Meilenstein im norwegischen Öl- und Gassektor markieren.
Der Anstieg der Investitionen stellt nach mehreren mageren Jahren in der Branche zweifelsohne eine positive Entwicklung dar und wird insbesondere vom Ölfelddienstleistungssektor begrüßt. Rystad beton, dass Investitionen in den Sektor für die Aufrechterhaltung einer starken Dienstleistungsindustrie während des allmählichen Übergangs zu alternativen Energiequellen unerlässlich seien.
Norwegisches Erdgas verringert die Abhängigkeit von Russland
Bis zum Jahr 2025 könnte die Produktion aufgrund der verstärkten Konzentration auf die Gasförderung und der neuen Projekte in der Pipeline wieder in Richtung des Höchststandes ansteigen. Diese Mengen sollen mit einem der niedrigsten CO2-Fußabdrücke der Welt produziert werden und die Abhängigkeit Europas von russischem Erdgas und Rohöl verringern.
Diese Abhängigkeit macht sich aktuell wieder deutlich bemerkbar. Angesichts der durch Saudi-Arabien und Russland ausgerufenen Verlängerung der Kürzungen der Ölfördermengen bis zum Jahresende, legten die Ölpreise auch gestern wieder zu. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen heute im Schnitt etwa –0,15 bis -0,95 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als noch zur Wochenmitte.