Es gibt nichts Stilleres als eine geladene Kanone. Angesichts des gewaltigen Truppenaufmarschs der israelischen Armee an der Grenze Gazas, kommt einem fast zwangsläufig Heines Zitat in den Sinn. Auch weil Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian wenig diplomatisch davor warnte, dass jeder momentan die Hand am Abzug habe.
Krisen-Diplomatie nimmt Fahrt auf
Während die Welt den Atem anhält, wird auf den höchsten politischen Ebenen versucht, die Zündschnur am Pulverfass Nahost doch noch zu löschen. Bundeskanzler Scholz wird heute, US-Präsident Biden morgen in Israel eintreffen. Es geht im wahrsten Sinne des Worts um jede Minute. Denn obwohl es bislang noch nicht zum angekündigten Einmarsch der israelischen Armee in die palästinensische Exklave gekommen ist, stellt der Krieg zwischen der islamistischen Hamas und Israel jetzt schon eines der größten geopolitischen Risiken für die Ölmärkte seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine dar.
Die Folgen einer Eskalation
Rohstoff-Analysten und Marktbeobachter weisen auf zwei wichtige Folgen einer Eskalation des Konflikts hin. Erstens könnten die USA die Sanktionen gegen den Iran verschärfen, sollte dieser in den Angriff der Hamas auf Israel verwickelt sein, was den bereits unterversorgten Ölmarkt weiter belasten könnte. Zweitens könnte eine von Washington vermittelte Vereinbarung zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel, die eine Erhöhung der Ölproduktion des Königreichs vorsieht, scheitern.
Ölpreis von 150 Dollar als Worst-Case-Szenario
Rohöl der Sorte Brent stieg am Montag, dem ersten Handelstag nach dem Überraschungsangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, um über 5 Prozent auf 89 Dollar pro Barrel (a 159 Liter). Auf diesem Niveau befindet sich der Preis auch noch eine Woche später. Analysten und Branchenkenner, die mit einer stärkeren Preis-Rallye gerechnet hatten, räumten ein, dass sich die Situation von der Ölkrise von 1973 unterscheidet.
Damals hatte Saudi-Arabien ein Embargo gegen Länder verhängt, die Israel während des Jom-Kippur-Krieges unterstützt hatten, was die Preise von drei auf zwölf Dollar in die Höhe schnellen ließ. Anfang der 1970er Jahre hatte das OPEC-Kartell eine noch größere Macht auf dem Ölmarkt hatte als heute. Vor allem in den letzten zehn Jahren hat sich in den USA eine Schieferölindustrie etabliert, die in der Lage ist, ihre Produktion vergleichsweise rasch herauf- und herunterzufahren.
Dennoch könnte ein Stellvertreter-Krieg, bei dem der Iran Syrien und den Libanon bei Angriffen auf Israel unterstützt, aber auch eine direkte Auseinandersetzung zwischen Teheran und Jerusalem nach Einschätzung von Analysten des renommierten Nachrichtenportals Bloomberg im Worst-Case-Szenario einen Ölpreis-Sprung auf 150 Dollar zur Folge haben.
Was bedeutet der Krieg für die iranischen Ölexporte?
Der Hamas-Unterstützer Iran hat jegliche Beteiligung der Terrororganisation an dem Angriff auf Israel bestritten. Eine Verschärfung der US-Sanktionen gegen Teheran würde die Rohölversorgung bedrohen und die Energiepreise sowohl weltweit als auch im eigenen Land in die Höhe treiben – etwas, das Präsident Biden im Vorfeld der Wahlen 2024 unbedingt vermeiden möchte. Trotz der US-Sanktionen sind die iranischen Rohölexporte in diesem Jahr erheblich gestiegen und haben einen Teil der freiwilligen Förderkürzungen von Riad und Moskau in Höhe von 1,3 Millionen Barrel pro Tag ausgeglichen.
Was wird aus der Annäherung zwischen Saudis und Israelis?
Die USA versuchen, eine Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel zu vermitteln, bei der das Königreich im Gegenzug für ein Verteidigungsabkommen mit Washington seine Beziehungen zu Israel normalisieren würde. Wie das „Wall Street Journal“ letzte Woche berichtete, hat Saudi-Arabien dem Weißen Haus mitgeteilt, dass es bereit ist, die Ölproduktion Anfang nächsten Jahres zu erhöhen, um das Abkommen zu sichern. Washington hat erklärt, dass die Bemühungen fortgesetzt werden sollten.
Nachdem die Notierungen für Gasöl, dem Vorprodukt für Diesel und Heizöl, gestern weiter leicht rückläufig waren, wirkt sich dieses Minus auch auf die Heizölpreise aus. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen im Schnitt etwa -1,30 bis -1,90 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als noch zum Wochenauftakt.